Die Kreistagsfraktion im SVZ-Interview

Egal ob Schulen, Abfallwirtschaft oder Ehrenamt: Kein Thema, das Wolfgang Bohnstedt und Andreas Sturm im SVZ-Interview ausgelassen haben. Hier lest ihr das komplette Interview:

DIE LINKE hat dem Haushalt des Kreises zugestimmt, auch weil Geld im sozialen Bereich ausgegeben wird. In anderen Bereichen setzen die Linken klare Schwerpunkte. Zum Beispiel soll ein Sozialpass her und das Ehrenamt gehöre weiter gestärkt. Redaktionsleiter Udo Mitzlaff sprach mit Kreistags-Fraktionschef Wolfgang Bohnstedt und Andreas Sturm, einem seiner Stellvertreter, über das Profil.

Herr Bohnstedt, Herr Sturm, die Diskussion um die kommunale Rückeroberung von Dienstleistungen läuft auf Hochtouren. Wie stehen Sie zur Übernahme von Teilen der Entsorgung durch den Landkreis?

Wolfgang Bohnstedt: Abfallwirtschaft, Wasser und Energie sind für uns Eckpfeiler der Daseinsvorsorge. Die Ver- und Entsorgung sind für uns eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Da unterscheiden wir uns grundsätzlich von den Positionen von CDU und FDP im Landkreis.

Andreas Sturm: In diesen Bereichen der Daseinsvorsorge darf es kein Gewinninteresse geben. Jeder Cent hat beim Bürger zu bleiben.

In den vergangenen Jahren haben die privaten Entsorgungsunternehmen den Bürgern aber günstige Gebühren beschert...

Bohnstedt: Ja, in den vergangenen Jahren. Wenn jetzt nicht die Angebote so gewesen wären, wie sie waren, hätte der Landkreis auch nicht handeln müssen.

Haben Sie als Kreistagsmitglieder denn überhaupt noch die Kontrolle über das Verfahren?

Sturm: Ja, es gibt den Kreistagsbeschluss, der einen Betriebsausschuss als Kontrollorgan vorsieht. Dort sehen wir uns die Entwicklung natürlich ganz genau an.

Muss es ALP sein, wäre nicht eine Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen möglich?

Bohnstedt: Wir sind bereit, auch über andere Modelle zu sprechen. Zum Beispiel eine Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Unternehmen der Privatwirtschaft. Aber neue Modelle müssen natürlich gründlich vorbereitet werden. Und es bleibt dabei: Daseinsvorsorge ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Was ist der Vorteil des kreislichen Engagements in diesem Sektor?

Sturm: Wir können Prozesse selbst gestalten und bei bestimmten Problemen gegensteuern. Die Vermarktung des eingesammelten Altpapiers ohne Zwischenhändler bringt mehr Geld, das auch bei den Bürgern ankommt.

Es gibt noch so ein Beispiel, den neuen Rufbus in der Region zwischen Parchim und Plau. Trauern Sie der Südbahn noch nach?

Sturm: Mobilität in der Fläche ist das große Thema für Junge und Alte. Dazu gehören ÖPNV, also Bus, SPNV, also Bahn, und der Rufbus. Die Vernetzung dieser Verkehrsangebote sollten wir gemeinsam gestalten und entwickeln. Wir geben die Südbahn nicht auf und unterstützen die Bürgerinitiative.

Warum?

Bohnstedt: Dahinter steckt ein grundsätzliches Problem. Der Bürger glaubt der Politik nicht mehr. Bei Südbahn und Windkraft wird der Bürgerwille negiert. Deshalb glauben viele den scheinbar einfachen Lösungen von Populisten. Wir nehmen die Südbahn-Bürgerinitiative sehr ernst. Ihre Meinung ist uns wichtig. Wir binden sie in unsere Arbeit mit ein und ignorieren sie nicht, nur weil vielleicht zehn Stimmen bei einem Bürgerentscheid fehlen.

Was läuft bei der Windkraft schief?

Sturm: Es war auch ein falsches Signal, zu sagen, ohne Zustimmung der Gemeinden werden keine Windkraftanlagen gebaut. Faktisch entscheidet das Land allein. Enttäuschte Hoffnungen sind die schlimmsten.

Stichwort enttäuschte Hoffnungen: Glauben Sie noch an den Umbau der alten Elde-Mühle zum Theaterstandort?

Sturm: Jetzt gehören schnell entscheidungsfähige Beschlussvorlagen auf den Tisch. Der Bürger glaubt es nicht, dass daran gearbeitet wird. Er bekommt es schlichtweg nicht mit. Es ist jetzt ein Jahr her, dass der damalige Bildungsminister den Vorschlag machte, eine Zielvereinbarung mit dem Land abzuschließen.

Bohnstedt: Wir haben davon gesprochen, dass 2017/18 in der Mühle der Spielbetrieb beginnt, jetzt reden wir schon über 2020/21. Obwohl viel Zeit verspielt wird, ist das Engagement der Theaterleute sehr groß.

Die Linke schreibt Kultur und Bildung groß. Werden Sie angesichts sinkender Schülerzahlen ein Schulsterben verhindern können?

Bohnstedt: Klipp und klar: Mit uns soll keine Schule geschlossen werden. Aber wir werden jetzt unsere Hausaufgaben machen, über Kooperationswillen und neue Strukturen diskutieren – natürlich mit Schulen und Schulträgern in gemeinsamer Abstimmung. Wir müssen dem Land Angebote machen, an denen es nicht vorbeikommt. Sonst sagt das Ministerium eines Tages: Wir haben keine Lehrer für eure kleinen Schulen.

Haben Sie schon Ideen?

Bohnstedt: Kreis und Ämter kommen hier nur gemeinsam voran. Die Schulentwicklungsplanung in ihrer bisherigen Form ist eher ein Feigenblatt. Wären die Schulen in der Hoheit des Landkreises, könnte man ganz anders gestalten. Dann müssten natürlich Städte und Gemeinden von Kosten freigestellt werden. Das Land hat das letzte Wort. Wir müssen jetzt mit allen Beteiligten intensiv diskutieren.

Sturm: Wir reden doch derzeit nicht über gute Schule, wir reden nur über Geld. Dabei ist Schule ein Standortfaktor.

Müssen wir auch generell über stärkere Unterstützung für das Ehrenamt reden? Aus Feuerwehrkreisen hört man deutliche Kritik...

Sturm: Das Ehrenamt wird immer mehr gefordert. Aktuell wird es aber geschwächt. Mit der neuen großen Struktur des Kreisfeuerwehrverbands muss man jetzt auch in der Fläche investieren, will man die Kraft der ehrenamtlich engagierten Feuerwehrkameraden nicht ausnutzen. Es kann nicht alles dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit untergeordnet werden. Es geht darum, das Ehrenamt zu stärken, nicht zu schwächen.

Bohnstedt: Dazu stehen wir wir in ganz engem Kontakt mit dem Kreisfeuerwehrverband.

Geschwächt könnten die Gemeinden aus der FAG-Novelle hervorgehen...

Bohnstedt: Das Land muss die Auskömmlichkeit der Kommunalfinanzen sichern. Wir als kommunale Familie – Gemeinden, Städte, Landkreis – dürfen uns nicht auseinanderdividieren lassen.

Brauchen wir die Ämter noch, müssen Gemeinden zusammengelegt werden?

Bohnstedt: Die Größe von Gemeinden, Ämtern und Kreis passt nicht zusammen. Gemeinden und Ämter haben viel mit Identität zu tun. Mit der Schaffung der Großkreise haben wir leider viel davon verloren. Deshalb muss vor Ort entschieden werden, wer mit wem möglicherweise zusammengeht. Es darf nicht alles über Geld reguliert werden. Wir als Linke wünschen uns, dass die Gesellschaft solidarisch und sozial miteinander umgeht.

Haben Sie deshalb dem Haushalt zugestimmt?

Bohnstedt: Dafür gibt es viele gute Gründe: Das Ehrenamt wurde finanziell gestärkt, die Pflegelotsen und die Personalkosten für die Kinder- und Schulsozialarbeit gesichert. Aber wir hätten uns auch mehr Investitionen gewünscht. Und auch endlich ein Sozialticket.

Was sagen Sie zur Diskussion um den Rückzug des Kreissportbunds aus Parchim?

Bohnstedt: Das ist zuerst eine souveräne Entscheidung des Kreissportbunds. Ein Büro mit drei Mitarbeitern, die auch auf Achse sind, ist das eine. Die Arbeit muss in den Vereinen vor Ort erfolgen. Dazu nutzen große Vereine hauptamtliche Sportlehrer. Dafür haben wir in unserem Landkreis die Grundlagen geschaffen.

Und die möglichen finanziellen Spätfolgen der Flughafen-Privatisierung? Sie waren auch im Landkreis Parchim auf der politischen Bühne aktiv...

Bohnstedt: Wir werden uns dieser Sache annehmen und uns differenziert damit auseindersetzen. Es handelt sich um einen hochspeziellen Vertrag. Damals ging es darum, den Verkauf des Flughafens möglichst rasch über die Bühne zu bringen. Für Ehrenamtler ist so etwas schwierig zu durchschauen, deshalb haben damals auch Juristen im Kreis und im Land den Vertrag geprüft.