Das große SVZ-Interview der Kreistagsfraktion

Systemfrage und kommunalpolitischer Realismus für die Menschen? Passt das zusammen? Na klar! 5 Fragen werden allen Kreistagsfraktionen von der SVZ gestellt. Wie umgehen mit der geschlossenen Kinderabteilung der Parchimer Klinik, dem Fachkräftemangel, Windkraftausbau, Kommunalfinanzen und der AfD? Unsere Positionen und Lösungsvorschläge hier:

5 Fragen an den Fraktionsvorsitzenden der Kreistagsfraktion der Linken, Andreas Sturm:

Die Kinderstation im Krankenhaus Parchim ist seit Pfingsten geschlossen, weil sich keine Kinderärzte finden lassen. Grundsätzlich wird der Ärztemangel im Landkreis zunehmend ein Problem. Gleichzeitig muss im Krankenhaus in Plau am See ein libyscher Arzt darum fürchten, dass er abgeschoben wird. Welche Ideen hat Die Linke zur Lösung dieser Fragen?

Benennen wir das Problem: Gesundheit ist zur Ware geworden. Nicht der Mensch, sondern wirtschaftliche Kennzahlen stehen im Fokus. Und das fällt uns deutschlandweit auf die Füße. Mit Kinderheilkunde lässt sich eben kein Geld verdienen. Keiner versteht, dass ein renditestarker Krankenhauskonzern es nicht hinbekommt, seine Kompetenz bei der Gewinnung und Führung von Personal auszuspielen oder zumindest alles menschenmögliche tut, um monetäre Anreize zu schaffen.

Es muss klar sein, dass wir auf kommunaler Ebene kaum Einflussmöglichkeiten auf die Klinikversorgung haben. Minister Glawe unternimmt viel zu wenig. Wir könnten uns eine Kooperation zwischen den Häusern im Landkreis oder einen trägerübergreifenden Ärztepool auf Landesebene vorstellen, langfristig muss mehr medizinisches Personal ausgebildet und praktisch von Bürokratie befreit werden.

Was wir allerdings können, ist die Rahmenbedingungen zu verbessern, damit sich Ärzte und generell Fachkräfte im ländlichen Raum ansiedeln. Wir können nicht mit den großen Städten konkurrieren, aber mit dem Erholungswert des ländlichen Raumes werben, Kultur, Kita-, Schul- und Nahversorgung, Baumöglichkeiten oder öffentlichen Nahverkehr so attraktiv wie möglich gestalten.

Es fehlen nicht nur Ärzte, sondern generell immer mehr Fachkräfte. Was wollen Sie dagegen tun?

Wir müssen wie gesagt optimale Rahmenbedingungen für junge Familien schaffen. Zum anderen kann es nicht sein, dass es 30 Jahre nach der Wende, mehrere Generationen später, noch immer ein derartiges Lohngefälle zwischen West- und Ostdeutschland gibt. Wir brauchen uns nicht wundern, dass junge Menschen abwandern. Hier sind Bundes- und Landesregierung und die Gewerkschaften gefordert, aber im eigenen Interesse auch die Unternehmen selbst. Löhne, Arbeitsbedingungen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Viele Arbeitsbedingungen machen krank. Das dürfen wir uns nicht leisten. Die Digitalisierung, Weiterbildung und Erfahrungsaustausch zwischen Alt und Jung können manches abfedern, sie allein werden aber nicht ausreichen.

Beim neuen Finanzausgleichgesetz sehen sich gerade einige Grundzentren im Landkreis schlecht behandelt. Wie sehen Sie das?

Wir setzen uns dafür ein, dass alle Gemeinden, egal wie groß sie sind, lebenswert sind. Dazu müssen sie finanziell angemessen und aufgabengerecht ausgestattet und auch in die Lage versetzt werden, den jahrelang aufgebauten Investitionsstau aufzulösen. Die Infrastrukturpauschale ist deshalb zu begrüßen. Wir werden gewissenhaft prüfen und eigene Vorschläge vorlegen, in welche zusätzlichen Infrastrukturprojekte der Landkreis investieren sollte. Bedarfe gibt es genügend.

Wofür steht Ihre Partei im Landkreis beim Thema Windkraft?

Die notwendige Energiewende kann nur gelingen, wenn sie demokratisiert und sozial gestaltet wird. Eine alleinige Fixierung auf die Windkraft sehen wir dabei als falsch an, es braucht einen Energiemix. Wir denken als einzige Partei die soziale Frage mit: Windkraft dient mittlerweile mehr und mehr den Profitinteressen einiger weniger, die Lasten werden auf die Bevölkerung im ländlichen Raum umgewälzt. Das darf nicht sein. Daher müssen die Netzentgelte runter. Stromüberschuss kann nicht abtransportiert werden, weil Atom- und Kohlestrom wortwörtlich die Leitungen verstopft, das muss sich ändern. Die finanzielle und planerische Beteiligung der Menschen muss tatsächlich stattfinden, nicht nur als Feigenblatt oder durch die Realität ad absurdum geführt werden.

Die AfD hat im neuen Kreistag zehn statt vorher zwei Sitze. Wie wollen sie mit der neuen Fraktion umgehen?

Wenn die AfD vor den tatsächlichen Problemen und Zuständigkeiten im Kommunalen steht, wird es schnell vorbei sein mit markigen Worten und populistischen Forderungen, dann wird es irdisch. Die AfD muss erstmal beweisen, dass sie dazu fähig und willens ist. Die Verquickungen mehrerer Mandatsträger mit der NPD und ihre Äußerungen machen für uns deutlich, wessen Geistes Kind die Fraktion vermutlich sein wird. Klar ist: Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit wird für uns keinen Platz haben: weder in der Gesellschaft, noch im Kreistag. Und dort werden wir die AfD immer wieder stellen.