Rechtsterroristische Gefahr auch ein Jahr nach dem Urteil im NSU-Prozess ungebrochen hoch

Zum 1. Jahrestag des Urteilsverkündung im Münchener NSU-Prozess erklärt der Obmann der Linksfraktion im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) „NSU“ im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Peter Ritter:

„Ein Jahr nach der Urteilsverkündung im Münchener NSU-Prozess zeigt sich die militante Neonazi-Szene ungebrochen selbstbewusst. Auch die reale Gefahr, die von rechtsterroristischen Netzwerken für Leib, Leben und unsere Demokratie ausgeht, hält sich unverändert auf einem Hoch. Der Verlauf des Prozesses, sowie die überwiegend milden Urteilssprüche, haben wohl entschieden dazu beigetragen. Wenn Unterstützer des NSU mit geringen Haftstrafen lächelnd den Gerichtssaal verlassen und alle weiteren Verfahren gegen mutmaßliche Helfer der rassistischen Mordserie de facto im Tiefschlaf verharren, geht davon ein eindeutiges Signal an die Neonazis aus: Selbst bei schwersten Straftaten habt ihr nur wenig zu befürchten.

Im NSU-Komplex sind mehr als sieben Jahre nach der Selbstenttarnung der Rechtsterroristen unzählige Fragen unbeantwortet. Der Strafsenat am Oberlandesgericht in München will bis heute keine Netzwerkstruktur hinter dem NSU erkennen. Verschiedene Behörden, allen voran der Verfassungsschutz, behindern nach wie vor die Aufklärung. Wie verheerend dieses Vorgehen ist, zeigt sich aktuell am Mord an den Kasseler Regierungschef Walter Lübcke. Der mutmaßliche Täter entstammt exakt jenen Kreisen, die auch im Münchener NSU-Prozess verstärkt eine Rolle hätten spielen müssen. Doch vielmehr verleugnete man die Relevanz der alten militanten Netzwerke und hielt diese aus dem Prozess raus.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern sind wir ein Jahr nach der Urteilsverkündung mit der Existenz potentiell rechtsterroristischer Mörderbanden konfrontiert. Das Nordkreuz-Netzwerk, in dem unter anderem Polizisten und Reservisten Feindeslisten erstellten, Waffen sowie Munition horteten und Leichensäcke auf ihrer ‚Einkaufsliste‘ vermerkten, ist nur ein Beispiel. Erst vor wenigen Tagen veröffentlichte die terroristische Gruppierung ‚Combat 18‘-Deutschland, die als bewaffneter des verbotenen ‚Blood&Honour‘-Netzwerkes gilt, ein Video mit dem sie erstmalig ihre Existenz belegt. Obwohl laut antifaschistischen Recherchen auch mehrere Neonazis aus Mecklenburg-Vorpommern ‚Combat 18‘ angehören sollen, antwortet die Landesregierung auf meine Kleine Anfragen: Nichts! Auch bei unseren Aufklärungsbemühungen zu Nordkreuz heißt es regelmäßig: Wir wissen nichts, wir sagen nichts und ohnehin sind wir nicht zuständig. Exakt dieses Vorgehen verhöhnt die potentiell und tatsächlich betroffenen Menschen rechten Terrors und verstärkt im Gegenzug die Nazis in ihrem Gefühl der Unantastbarkeit.“